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Nachhaltige Mobilität: Die autogerechte Stadt – ein überkommenes Leitbild

Mobilität ist eine unverzichtbare Grundlage ökonomischer, sozialer und kultureller Aktivitäten. Die möglichst reibungslose Bewegung von Personen, Gütern und Ideen prägt gesellschaftliche Entwicklungen, ermöglicht Innovationen und ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Der daraus resultierende Verkehr ist jedoch für erhebliche Belastungen von Mensch und Umwelt verantwortlich: klimaschädigende Treibhausgasemissionen, lokale Schadstoffbelastungen, Lärm und Flächenverbrauch.
© Unsplash/ Daniel von Appen
© Unsplash/ Daniel von Appen

Wir brauchen eine Mobilitätswende

Unser Mobilitätsverhalten wurde viele Jahrzehnte durch das private Kraftfahrzeug dominiert und der Verkehrsraum baulich und rechtlich darauf ausgerichtet. Nahezu überall auf der Welt galt und gilt das Automobil als das Versprechen für privates Glück und berufliches Vorankommen. Allein in Deutschland waren im Jahr 2019 mehr als 47 Millionen Pkw zugelassen, mit weiterhin steigender Tendenz. Während C02-Emissionen mittlerweile in allen Bereichen sinken, bleiben sie im Verkehrssektor hoch und gefährden damit die Klimaziele. Gleichzeitig ermöglicht die voranschreitende Digitalisierung neue Verkehrsangebote und individualisierte Zugänge: Neue Geschäftsmodelle und veränderte soziale Praktiken entwickeln sich in einigen Nischenbereichen.

Häufig wird die Verbreitung der Produkte und Dienstleistungen von Start-ups und innovativen Spin-offs mit dynamischer Arbeitsweise jedoch durch regulatorische Rahmenbedingungen verhindert. Zudem stoßen individuelle Mobilitätsbedürfnisse schon heute aufgrund von fehlenden, überlasteten oder unzugänglichen Infrastrukturen an ihre Grenzen. Dies stellt insbesondere Städte und Kommunen, denen eine direkte Verantwortung für die Gestaltung ihrer Mobilität zukommt, vor große Herausforderungen. Insbesondere Bevölkerungsgruppen mit niedrigem sozioökonomischen Status sind betroffen. Durch ihre Wohnlage sind sie häufig verstärkt Lärm und Schadstoffen ausgesetzt, die zu gesundheitlichen Problemen führen. Sie sind in ihren Mobilitätszugängen eingeschränkt und haben geringere Chancen, mobil zu sein.

Ein wachsender Teil der Bevölkerung ist mit der Verkehrssituation, insbesondere in urbanen Räumen, unzufrieden –. Eine Mehrheit fordert eine Verkehrswende für Deutschland. Ein Haus oder eine Wohnung im suburbanen Raum, in der Großsiedlung oder im ländlichen Raum bedeuten jedoch oftmals eine kaum zu überwindende Autoabhängigkeit; umgekehrt ziehen Wohlhabende in die Innenstädte zurück. Zwar verfügen viele Haushalte in den Innenstädten auch weiterhin noch über private Fahrzeuge, allerdings nimmt die multimodale Nutzung von Fahrrädern, Bussen und Bahnen sowie neuen Sharing-Diensten zu.

Als Lösung für eine Mobilitätswende stehen bisher vor allem technologische Ansätze im Fokus, allen voran der Ausbau der Elektromobilität und des autonomen Fahrens, verbunden mit neuartigen Möglichkeiten für Mobilitätsdienste. Großformatige Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Mobilität gelingen aber nur, wenn das Zusammenspiel von individuellen wie gesellschaftlichen Mobilitätsbedürfnissen, -verhaltensweisen und technologischer Entwicklung verstanden und in der Stadt- und Infrastrukturplanung berücksichtigt werden.

Unsere gesellschaftliche Aufgabe besteht darin, wirtschaftliche Prosperität und soziale Teilhabe im demokratischen Zusammenleben zu sichern, ohne dass die natürlichen Ressourcen der Erde weiter Schaden nehmen. Wir brauchen daher eine von der ganzen Gesellschaft getragene Vision einer nachhaltigen Mobilität. Dazu bedarf es:

  • mehr Dialog, um Konflikte zu identifizieren und in einem breiten gesellschaftlichen Diskurs auszuhandeln
  • mehr Kompetenz für Forschung und Entwicklung, um Möglichkeitsräume für Innovation zu schaffen
  • mehr Mut, um neue Lösungen in großen Experimentierräumen zu erforschen und unter realen Bedingungen zu erproben

Nachhaltige Mobilität minimiert ökologische Belastungen, unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung und fördert soziale Teilhabe. Sie gelingt, wenn die Chancen neuer Technologien, ein sich änderndes Mobilitätsbewusstsein und -verhalten sowie die spezifischen Gegebenheiten vor Ort systemisch zusammengebracht werden. Aus diesem Grund fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Forschungsagenda "Nachhaltige urbane Mobilität" bundesweit Projekte, die innovative Mobilitätslösungen auf Basis von neuen Technologien und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Anforderungen entwickeln und erforschen. Diese Mobilitätslösungen werden in der Praxis getestet und umgesetzt, um die nachhaltige Mobilität von (über-)morgen aktiv voranzubringen.