Quartiersentwicklung und Neubauquartiere
1. Definition und Ziele
In diesem Baustein stehen vor allem die Projektansätze für eine Mobilitätswende im Bereich nachhaltiger Quartierentwicklung und der Errichtung von Neubauquartieren im Vordergrund. In vielen Städten und Kommunen geht es zum einen um die Entwicklung der Mobilität im Bestand. Hier stehen eine Verringerung von Verkehrsbelastungen und eine Neuaufteilung des öffentlichen Raumes zugunsten von aktiver Mobilität und anderen nicht-verkehrlichen Nutzungen im Fokus. Zum anderen werden autoarme Mobilitätskonzepte in Neubauquartieren oder in Quartieren, in welchen signifikante bauliche Erweiterungen geplant sind, verfolgt. Besonders für die Neubauquartiere ergibt sich die Chance, die Menge des Verkehrsaufkommens von Anfang an mitzudenken. Ziel ist es, neu zu errichtende Quartiere von Beginn an zu planen und einzurichten, dass die dortigen Mobilitätssysteme auf digitale Lösungen ausgerichtet sind und weniger auf den Besitz eines persönlichen PKWs. Wichtig ist außerdem, die klassische Funktionstrennung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit zu überwinden. Allein dadurch kann Verkehr in erheblichem Umfang vermieden werden.
2. Probleme und Herausforderungen
Der Parkraum für private Pkw im öffentlichen Raum ist ein umstrittenes Thema. Im Bestand gibt es von Seiten privater Autobesitzer*innen regelmäßig Proteste, wenn Parkplätze im öffentlichen Raum umgewandelt werden sollen. Bei allen neuen Quartiersplanungen ist der Stellplatzschlüssel, also die Anzahl von Pkw-Stellplatz pro Wohneinheit, oft Anlass für Kontroversen. Überkommene Anspruchserwartungen und subjektives Gewohnheitsrecht stehen gegen mehr Gemeinschaftsflächen und mehr Platz für aktive Mobilität. Dieser Konflikt ist nicht zu vermeiden. Im Hinblick auf den Stellplatzschlüssel erlauben allerdings mittlerweile alle Ländern den Kommunen eine breite Ausgestaltung der Regelung. Eine frühzeitige Beteiligung von Anwohner*innen sowie die Planung von Alternativen zum privaten Auto – siehe oben: Mobilitätsstationen, multimodale digitale Plattformen etc. – können dazu beitragen, diesen Konflikt beizulegen. Dennoch werden nicht immer alle Interessen zu vereinbaren sein.
3. Mögliche Auswirkungen und möglicher Beitrag zu einer klimafreundlichen Mobilität
Der Effekt einer stärkeren Integration von Arbeiten, Wohnen und Freizeit in umgestalteten Bestandsquartieren und vor allem in Neubaugebieten auf den Verkehrsaufwand ist erheblich. Die Erfahrungen aus der Lockdownphase infolge der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 haben gezeigt, dass durch Homeoffice signifikante Verkehrsanteile gerade im werktäglichen Berufsverkehr eingespart werden können. Außerdem nahm die Nahraummobilität einen großen Aufschwung, das Zufußgehen und das Radfahren waren während des Lockdowns hoch geschätzte Bewegungsweisen.
Weniger Verkehrsanlässe und eine Stärkung der Nahraummobilität sind die eine Seite. Der Umstieg vom privaten Auto auf multimodale Mobilitätsangebote ist auf der anderen Seite mit erheblichen Effizienzgewinnen verbunden. Aus der empirischen Mobilitätsforschung wissen wir: Beide Effekte sind in autoarmen Siedlungsstrukturen zu erwarten.
Fachinformationen und wissenschaftliche Studien
Nachhaltige Quartiersentwicklung im Allgemeinen
Nachhaltige Quartiersentwicklung in urbanen Wachstumsregionen
Studien, Bücher, Fachartikel
Sowohl weltweit als auch in Deutschland konzentriert sich die Bevölkerung zunehmend in urbanen Wachstumsregionen. Die Schaffung von Wohnraum ist in Einklang zu bringen mit weiteren städtischen Funktionen wie Verkehr, Freiraumqualität oder der sozialen Durchmischung. Die Verbindung dieser unterschiedlichen Ziele stößt in der Umsetzung teilweise an ihre Grenzen.
Quartiersgaragen in Berlin. Studie zum Umgang mit ruhendem Verkehr in den neuen Stadtquartieren
Studien, Bücher, Fachartikel
Berlin wächst. Das anhaltende Bevölkerungswachstum erfordert neue Stadtquartiere, die wichtige Rahmenbedingungen für die kommenden Jahrzehnte schaffen.
Städtebauliche und sozioökonomische Implikationen neuer Mobilitätsformen
Studien, Bücher, Fachartikel
Der erste Schwerpunkt beschäftig sich explizit mit den Wechselwirkungen zwischen innovativen Mobilitätsformen und städtebaulichen Entwicklungen, sowie mit Möglichkeiten und Herausforderungen für deren Bewertung aus Nachhaltigkeitsperspektive.
Ammer-Loisach Region (e-ALOIS)
Appgestütztes E-Carsharing in der Ammer-Loisach-Region. Co2 neutrales Moblitätsangebot für Einheimische und Touristen. e-ALOIS ist dem Projekt BARshare ähnlich und bietet ebenfalls einen Beitrag zur Mobilität im ländlichen Raum.
Integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement –
Strategien und Instrumente nachhaltiger Stadtentwicklung
Studie / Buch / Fachartikel
In der Studie wird einerseits der Paradigmenwechsel in der urbanen Mobilitätspolitik anhand von Good-Practice-Beispielen erläutert. Andererseits werden Elemente der Soft Policy als auch der Hard Policy definiert. Eine Querschnittsauswertung der Good-Practice-Beispiele ist ebenfalls gegeben.
(Stand: 2011; Studie)
Wie wird weniger genug? Suffizienz als Strategie für eine nachhaltige Stadtentwicklung (Böcker et al. 2020)
Publikation
Die Publikation der Stadtverwaltung Flensburg und der Europa-Universität Flensburg zeigt, wie die vernachlässigte Nachhaltigkeitsstrategie der Suffizienz in der Stadtentwicklung wirksam werden kann.
Nachhaltige Quartiersentwicklung in Bezug auf eine nachhaltige Mobilität
Local Business Perception vs. Mobility Behavior of Shoppers: A Survey from Berlin (Schneidemesser/Betzien 2021)
Studie / Buch / Fachartikel
Stimmen aus der Wirtschaft sprechen sich häufig gegen eine Umverteilung des städtischen Verkehrsraums zugunsten aktiver Verkehrsmittel aus. In der Umrage wurden 145 Händler zu ihrer Wahrnehmung des Mobilitätsverhaltens ihrer Kunden befragt und 2.019 Kunden in zwei Einkaufsstraßen in Berlin, Deutschland, interviewt. Die Ergebnisse zeigen, dass Händler die Autonutzung überschätzen und den aktiven Verkehr unterschätzen. Außerdem wohnen potenzielle Kunden häufiger in der Nähe ihres Einkaufsziels als von den Händlern wahrgenommen. Die Ergebnisse können dazu beitragen, den Widerstand der lokalen Wirtschaft gegen eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur zu erklären, und bieten eine Wissensgrundlage für eine besser informierte Entscheidungsfindung in Bezug auf die Flächennutzung in den Städten.
(Stand: 2021; Studie)
Nachhaltige Mobilität im Quartier: Eine Akzeptanzstudie
Studien, Bücher, Fachartikel
Für eine zukünftige umweltverträglichere Mobilität sind Verkehrsverlagerungen vom Auto auf emissionsärmere Verkehrsmittel wie öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad relevant. Ziel des Projekts „Nachhaltige Mobilität im Quartier. Eine Akzeptanzstudie“ ist es, wichtige Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelnutzung der Personen zu identifizieren.
Intelligent mobil im Wohnquartier (VCD 2019)
Leitfaden / Handbuch
In dem Handlungsleitfaden für kommunale Verwaltungen sowie Wohnungswirtschaft finden Sie Informationen zu den Bausteinen nachhaltiger Mobilität im Quartier, zur Kombination dieser Elemente sowie Hinweise zu Praxisbeispielen.
(Stand: 2019; Leitfaden)
Rechtliche Vorgaben einer Parkraumkontrolle im öffentlichen Raum mittels Scan-Fahrzeugen (Agora Verkehrswende 2021)
Positions- / Diskussionspapier
Im Rahmen des vorliegenden Rechtsgutachtens wurde untersucht, inwieweit digitale Parkberechtigungen als Grundlage für den Einsatz von Scan-Fahrzeugen bereits vor dem Hintergrund des geltenden Rechts umgesetzt werden können beziehungsweise in welchen Konstellationen gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht und unter welchen Bedingungen der Einsatz von Scan-Fahrzeugen rechtlich möglich ist.
(Stand: 2021; Gutachten)
Praxisbeispiele aus verschiedenen Anwendungsfeldern und Kontexten
Aktuelle nachhaltige Quartiersgebiete in Deutschland
Nachhaltige Mobilität und hohe Lebensqualität in Bornheim (Frankfurt)
Projektinformationen/-beschreibungen
Der Frankfurter Stadtteil Bornheim wurde Modellraum für eine attraktive und stadtverträgliche Mobilität. Das Projekt befasste sich mit der Fragestellung, wie sich die gewachsenen, dauerhaften (Infra-)Strukturen (Persistenz) vor Ort mit den sich stetig entwickelnden Mobilitätsbedürfnissen und -möglichkeiten (Dynamik) vereinbaren lassen.
Webdatenbank nachhaltiger Siedlungen und Quartiere
Projektinformationen/-beschreibungen
Übersicht von Praxisbeispielen nachhaltiger Quartiersentwicklung.
Nachhaltige Mobilität und hohe Lebensqualität in Bornheim (Frankfurt)
Das innenstadtnahe Bornheim in Frankfurt am Main ist ein weitgehend gründerzeitlich geprägtes Wohn- und Mischgebiet. Die Anforderungen der Bevölkerung an das Quartier sind als sehr heterogen einzuschätzen. Strategien zur Mobilitäts-Zukunft des Quartiers werden mit einem beteiligungsorientierten Ansatz bis Ende 2020 entwickelt.
Gartenstadt Drewitz (Potsdam)
Umfassendes Stadterneuerungsprojekt für die Großwohnsiedlung Drewitz. Mobilitätsmaßnamen beinhalten eine verbesserte ÖPNV-Anbindung, Parkraumbewirtschaftung, Ausbau Fuß- und Radwege, Bikesharing, Carsharing, Fahrradreparatur und tarifliche Anreize zur ÖPNV-Nutzung.
Quartier DomagkPark München
Entwicklung eines neuen Wohnquartiers mit dem Ziel, innovative und nachhaltige Lösungen zu den Themen Mobilität und Transport in innerstädtischen Randgebieten umzusetzen und zu testen (als Teil des Forschungsprojekts CIVITAS ECCENTRIC).
QuartierMobil: Die Lincoln-Siedlung in Darmstadt und das Bestandsquartier Frankfurt-Bornheim
„QuartierMobil“ ist ein Forschungsprojekt im Rahmen der Fördermaßnahme „Umsetzung der Leitinitiative Zukunftsstadt“ des BMBF. Es untersucht neue Möglichkeiten der Mobilitäts- und Verkehrsentwicklung in Quartieren. Im Rahmen von QuartierMobil werden zwei Reallabore untersucht: Die Lincoln-Siedlung in Darmstadt als neu zu entwickelndes Quartier sowie der Stadtteil Bornheim in Frankfurt als Bestandsquartier.
Zukunft Hafen-Ost: Leitlinien für die Entwicklung eines nachhaltigen urbanen Quartiers (Stadt Flensburg 2020)
Im Rahmen eines Reallabors in Flensburg wurden Leitlinien für suffizienzorientierte Stadtentwicklung erarbeitet.
Webdatenbank nachhaltiger Siedlungen und Quartiere
Übersicht von Praxisbeispielen nachhaltiger Quartiersentwicklung
Aktuelle autofreie bzw. autoarme Quartiersgebiete in Deutschland
Vauban (Freiburg im Breisgau)
Vauban ist ein Neubaugebiet und erster autofreier Stadtteil Freiburgs auf einem ehemaligen Kasernengelände. Prinzipien der Gestaltung des Stadtteils sind u.a. kurze Wege, Vermischung von Arbeiten und Wohnen, gute Verbindung der Wohnungen zu den Freiräumen, sowie Vorrang für Fuß-, Rad- und Öffentlichen Verkehr.
Ottensen macht Platz
„Ottensen macht Platz“ ist ein Experiment, das dem nicht-motorisierten Verkehr Vorrang gewährt und in dem der öffentliche Raum den Bürgern zur Verfügung gestellt wird. Für sechs Monate wurden die Straßen für den Auto-Durchgangsverkehr gesperrt – um zu erproben, wie man den Straßenraum neu nutzen kann.
Übersicht autofreier/autoarmer Wohngebiete
Auf den folgenden Webseiten finden Sie einen Überblick über Wohngebiete, die aktuell in Europa autofrei, bzw. autoarm sind.